Mauerbienentagebuch

Mauerbienen gehören mit zu den auffälligsten Insekten des Frühlings. Sie sind oft an Insektenhotels anzutreffen und treten teils in großer Zahl auf. Dadurch entsteht teils der Eindruck als handele es sich um einen Bienenstock. Unser Instektenexperte Stefan Kress hat die fliegenden Sechsbeiner in seinem Garten mal etwas genauer beobachtet...


1: Seit dem Sommer des Vorjahres harrten die Männchen der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) fertig entwickelt in den Kammern der Linienbauten aus. Diese hat ihre Mutterbiene in den röhrenförmigen Hohlräumen des Insektenhotels angelegt. Wenn Mitte März die Tage länger werden, beißen sie sich mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen durch den zum Schutz von ihrer „Mama“ gemörtelten Nestverschluss. Dann ruhen sich kurz aus und entleeren erst einmal ihren Darm (cremefarbene „Flecken“). Die Männchen erkennt man übrigens an ihrer weißen Gesichtsbehaarung.


2 + 3: Innerhalb weniger Tage erscheinen immer mehr Männchen und warten auf die Weibchen. Dabei schwirren sie die ganze Zeit um die Brutröhren oder setzen sich an deren Eingänge und kriechen rein und wieder heraus.


4: In Ermangelung von Weibchen „üben“ die Männchen schon mal die Begattung.


5: Zum Übernachten ziehen sich die Männchen wieder in die Röhren zurück.


6: Bei diesem Männchen der Gehörnten Mauerbiene erkennt man schön die weiße Gesichtsbehaarung und die im Vergleich zu den Weibchen längeren Fühler.


7: Endlich ist es soweit: Sobald die Weibchen aus den hinteren Kammern der Linienbauten erscheinen, stürzen sich die Männchen auf sie und halten sie fest umklammert. Diese Umklammerung kann Stunden dauern; die eigentliche Begattung vollzieht sich dann innerhalb von Minuten.


8: Jetzt muss man aufpassen, dass man vor der Nisthilfe nicht auf die sich paarenden Mauerbienen tritt…


9: …aber manchmal positionieren sie sich auch schön in Reih‘ und Glied.


10: Manche Weibchen werden gleich von mehreren Männchen bedrängt.


11: Sofort nach der Paarung beginnen die weiblichen Mauerbienen mit dem Nestbau. Der besteht aus dem Einbau einer Trennwand, dem Einbringen von Pollen, dem Ablegen eines Eis, dem Einbau der nächsten Trennwand und so fort. Wenn sie von einem Sammelflug zurückkommen, sind sie oft über und über mit Pollen bestäubt.


12: Was die besuchten Pflanzenarten angeht, ist die Gehörnte Mauerbiene nicht wählerisch. Sie schaut auch mal wie hier auf dem Bild bei einem Löwenzahn vorbei. Und auch was die Witterung betrifft, nimmt sie es wie es kommt: Selbst bei 7°C und kaltem Wind (wie am 24.03.2020) waren einige Mauerbienen unterwegs


13 + 14: Meist vergeudet die Gehörnte Mauerbiene nicht viel Zeit mit der Suche nach einem geeigneten Nistplatz, sondern bleibt in der unmittelbaren Nähe ihres Geburtsortes. Dabei werden auch Röhren, aus denen gerade erst Bienen geschlüpft sind, gereinigt und wiederverwendet. Hier ein Zeitverlauf, der 2018 aufgenommen wurde. Nach eineinhalb Monaten war die Nisthilfe komplett belegt, wobei hier auch die Rostrote Mauerbiene „mitgeholfen“ hatte. Die kleinen Löcher im unteren Bereich wurden später im Jahr noch von anderen Wildbienenarten genutzt.


15 + 16: Je nach dem, was sie zu tun hat, krabbelt die Gehörnte Mauerbiene mal mit dem Hintern und mal mit dem Kopf voran in die Röhre. Bei ersterem deponiert sie Pollen oder legt ein Ei ab, bei letzterem baut sie an einer Trennwand.


17: Auf dem letzten Bild hat man es schon erahnen können: Die Gehörnte Mauerbiene ist im Gegensatz zur Honigbiene eine Bauchsammlerin, das heißt, der Pollen wird nicht in einem Höschen an den Hinterbeinen, sondern in den Haaren am Bauch gesammelt.


18: Woher hat die Gehörnte Mauerbiene eigentlich ihren Namen? Von zwei Hörnchen, die man auf diesem Bild ganz gut erkennen kann. Sie befinden sich auf der Höhe des Unterrandes der Augen knapp oberhalb des kräftigen Kiefers (der Mandibel).


19: Die Weibchen der Gehörnten Mauerbiene fliegen jetzt seit ca. 2 Wochen. Inzwischen sehen sie vom vielen Krabbeln in den engen Röhrchen schon ziemlich „gerupft“ aus; das „Fellchen“ am Hinterleib ist lang nicht mehr so dicht wie zu Beginn.


20: Die Bienen bei ihrer Arbeit in der Röhre zu fotografieren, ist nicht ganz einfach. Am 09.04.2020 ist mir das doch gelungen. Zunächst ein Blick in eine Röhre, in der man den deponierten Pollen sehen kann. Wenn man es genau nimmt, handelt es sich um ein Pollen/Nektar-Gemisch, das auch als Pollenbrot bezeichnet wird.


21: Hier die gleiche Röhre eine viertel Stunde später: Die Mutterbiene hat ein Ei an das Pollenbrot abgelegt. Nach dem Schlüpfen wird es der Larve als Nahrung dienen. Unmittelbar nach der Eiablage beginnt die Mauerbiene, die vordere Wand der Brutkammer zu bauen; man kann sie oben und links bereits erkennen. Die Ameise hat es wohl auf den Nektaranteil des Pollenbrots abgesehen, wurde bei der Rückkehr der Mutterbiene aber verscheucht.


22: Diese drei Bilder zeigen, wie schnell die Kammer verschlossen wird. Das linke Bild ist vier Minuten nach dem vorigen entstanden, das mittlere weitere 2 Minuten später und kurz darauf war die Wand dann dicht.


23: Da es sich bei der Zelle um die Abschlusszelle handelt, wird die Wand besonders dick gebaut, wie man auf dem linken der drei Bilder gut erkennen kann. 2,5 Stunden später, als das rechte Bild entstand, war die Wand dann fertiggestellt.


24: Seit dem letzten Herbst haben die fertig entwickelten Mauerbienen in den Brutkammern ausgeharrt, bevor sie dann Ende März ausgeflogen sind. Das Leben als freifliegende Biene ist dagegen recht kurz. Jetzt, ca. 3 Wochen nach dem Verlassen der Brutzellen, sieht man immer mehr tote Weibchen der Gehörnten Mauerbiene nahe den neu angelegten Nestern.


25: Es ist Mitte April. Die Röhrchen mit etwas größerem Durchmesser sind inzwischen alle belegt und verschlossen. Aber die Gehörnten Mauerbienen sind mit ihrem Brutgeschäft noch nicht fertig. Auf dem Foto kann man erkennen, wie sich zwei von ihnen mühsam in Röhrchen mit geringerem Durchmesser quetschen, die eigentlich für die etwas kleineren Roten Mauerbienen gedacht waren.


26: Da der Platz in den Papp- und Schilfröhrchen sowie in den Holzblöcken der Nisthilfen knapp wird, weichen die Weibchen der Gehörnten Mauerbiene jetzt auch auf Löcher in sog. Strangfalzziegeln aus.


27: Mitte April schlüpfen die ersten Exemplare der Roten Mauerbiene (Osmia bicornis); hier eine Aufnahme vom 17.04.2020, die auch die Nisthilfen nutzt.


28: Die Weibchen machen sich nach der Begattung (wir kennen das ja jetzt schon)…


29: …gleich an den Nestbau.


30: Ab Ende April werden die kleinen Löcher der Nisthilfen von kleineren Wildbienenarten, wie die hier zu sehende Hahnenfuß-Scherenbiene (Chelostoma florisomne), genutzt.


Wir müssen über Parasiten reden: Wo immer Lebewesen existieren, gibt es andere Lebewesen, die sie parasitieren (selbst Parasiten haben wiederum Parasiten). Wenn Sie an Ihrer Nisthilfe also Insekten sehen, von denen sie glauben, dass diese unmöglich die Nisthilfe nützen können, so ist das oft kein Zufall, sondern es handelt sich um eine parasitisch lebende Art. Es gibt Wildbienen, die selbst kein Nest bauen, sondern ihre Eier in von anderen Wildbienenarten angelegte Nester legen – in Anlehnung an den bekannten Vogel nennt man solche Wildbienen auch Kuckucksbienen. Besonders an großen Nisthilfen oder wenn viele Nisthilfen nah beinander platziert sind, haben Parasiten (da die meisten die Mauerbienen umbringen, muss man korrekt von Parasitoiden sprechen), ein leichtes Spiel. Ich dachte schon manches Jahr, dass keine Mauerbienen mehr übrig bleiben, aber keine Angst: Es schaffen immer welche, die im kommenden Jahr ausschlüpfen und die nächste Generation gründen. Die Parasitoiden gehören also zum Netz des Lebens und sind maßgeblich daran beteiligt, dass sich einzelne Arten nicht über Gebühr ausbreiten – und man kann es daher auch so sehen: Mit einer Wildbienennisthilfe werden nicht nur den paar Arten, die wir beim Nestbau beobachten können, sondern auch einer Reihe weiterer Arten (den Parasitoiden) Lebensraum geboten. Einige der parasitierenden Arten will ich hier mit Bild vorstellen.

 

31: Die Keulhornwespe Sagypa clavicornis.


32: Eine Goldwespe. Es gibt mehrere Arten. Alle leben parasitisch und alle schimmern mehr oder weniger bunt metallisch. Ausgesprochen schöne Insekten!


33: Eine Erzwespe, wahrscheinlich Monodontomerus obsoletus, mit ihrem Legebohrer.


34: Die Taufliege Cacoxenus indagator. Sie ist ziemlich klein (auf dem rechten Bild der kleine Stipps auf dem oberen Querbalken der Nisthilfe) und mit der im Herbst besonders von Trauben her bekannten Fruchtfliege verwandt. Bei ihr haben die Mauerbienen mitunter die Chance, den Befall zu überleben.


35: Dieses ziemlich wüste Bild zeigt ein Mauerbienennest, das in produktionsbedingten Hohlräumen der Konstruktion eines Terrassentisches angelegt wurde. Die äußere Wand aller vier Quadranten ist aufgebrochen, das heißt, hier haben sich die Mauerbienen der neuen Generation durchgebissen und sind ausgeflogen. Im oberen rechten Quadranten sieht man im Hintergrund eine Wand mit einem runden Loch. Dahinter ist eine Brutkammer, die parasitiert wurde, wahrscheinlich von der in Bild 34 vorgestellten Taufliege. Die Fliegenlarven haben ein Loch in die Wandung gebissen, sich dann verpuppt und die geschlüpften Fliegen werden sehr bald durch das Loch ins Freie gelangen (oder sind bereits ausgeflogen). Im unteren rechten Quadranten ist im Hintergrund unscharf eine Erzwespe (s. Bild 33) zu erahnen.


36: Schließlich noch der Trauerschweber Anthrax anthrax, der nah mit dem Hummelschweber verwandt ist, der ab April oft im Garten beobachtet werden kann, wenn er wie ein Mini-Kolibri vor einer Blüte schwebt. Wie kommen die Fliegen aber aus den Mauerbienennestern heraus? Denn alle Fliegen haben tupfend-saugende Mundwerkzeuge und damit keine Chance, sich durch die Wände der Zellen durchzubeißen (anders als die Mauerbienen selber, die kräftige Mundwerkzeuge, Mandibel genannt, haben (s. Bild 18)). Die Fliegen gehen daher anders vor. Entweder beißen die Fliegenlarven ein kleines Loch in die Wand, durch das dann später die geschlüpfte Fliege entkommt (s. Bild 35)…


37: …oder die Larve bohrt sich wie die des Trauerschwebers durch die Wand und verpuppt sich in der Wand steckend. Man kann hier gut erkennen, dass die Larve am Kopfende Fortsätze trägt mit denen sie sich wie eine Tunnelbohrmaschine durch die Wand hindurcharbeitet. Der vordere Teil der Puppe ragt ins Freie und die schlüpfende Fliege muss nur noch die Puppenwand sprengen und kann dann wegfliegen.