Stellungnahmen des NABU Vorstandes


Abschlussbericht Waldbeirat

Stadtwald Stuttgart – Was lange währt …


Foto: Naturnaher Wald, Pixabay
Foto: Naturnaher Wald, Pixabay

Stadtwald Stuttgart – Was lange währt …

 


… wird nicht immer gut, aber in diesem Fall wenigstens akzeptabel.


Am 12.10. 2023 hat der Stuttgarter Gemeinderat einstimmig die Forsteinrichtungsplanung 2023 – 2032 für den Stadtwald beschlossen.

Was so bürokratisch und lapidar klingt, hat eine lange Vorgeschichte:
Seit 2019 gibt es in Stuttgart einen Waldbeirat, in dem Vertreter der Verwaltung, der im Gemeinderat vertretenen Parteien, der Bürgerschaft und Stefan Kress als Vertreter des NABU Stuttgart sitzen. In vielen Sitzungen wurde um das Konzept zur Bewirtschaftung des Stuttgarter Stadtwaldes, die sogenannte Forsteinrichtung, für die Zehnjahresperiode ab 2023 gerungen.

 


Die wichtigsten Abstimmungsergebnisse für den Stadtwald:
• Klimastabilität, Schutzwirkung und Erholungsvorsorge werden höher priorisiert als die Nutzfunktion des Waldes.
• Der Anteil der Stilllegungsflächen wird von aktuell 8 auf 10 % erhöht.
• Auf etwa 1 % der Waldfläche wird ein für die (Insekten-)Biodiversität wichtiger Lichtwald entwickelt.
• Der Wald wird mittels geeigneter Maßnahmen wie der Einleitung von Naturverjüngung, Pflanzung, Jungbestandspflege und kontinuierlichen Durchforstungen zu einem klimastabilen Wald entwickelt. In den Altbestand wird nur selten eingegriffen.

 


Über den letzten Punkt wurde am meisten gestritten. Keiner weiß, wie sich der Wald, unter den sich rapide ändernden Klimabedingungen entwickelt. Soll man den Wald sich selbst überlassen („Der Wald weiß am besten, was gut für ihn ist“) oder muss der Mensch eingreifen, weil die natürliche Waldentwicklung mit dem Klimawandel nicht Schritt hält?

Das Forstamt möchte eingreifen. Die als klimaresistenter geltenden Eichen sollen von sie bedrängenden Bäumen (meist Buchen) befreit werden.
Die Bürgerinitiative „Zukunft Stuttgarter Wald“ plädierte dafür, den Wald nach dem sogenannten Lübecker Modell zu bewirtschaften. Dies bedeutet, der Wald würde nur selten durchforstet und mit der Zeit dunkel und feucht und damit klimastabil werden. Das Forstamt entgegnete, dass der Wald dann von Buchen dominiert würde, die in den nächsten Jahrzehnten aber klimabedingt abstürben.
Unseres Erachtens lässt sich momentan nicht sicher sagen, welches Konzept das bessere ist. In solch einem Fall scheint es sinnvoll, im Rahmen einer Risikostreuung alle Optionen zu verfolgen. Stefan Kress schlug dem Beirat vor, 20 bis 30 % der Waldfläche nach dem Lübecker Modell zu bewirtschaften. Aber dafür gab es keine Mehrheit. Als „Kompromiss“ werden jetzt versuchsweise 20 Hektar nach dem Lübecker Modell bewirtschaftet und mit benachbarten, konventionell bewirtschafteten Flächen verglichen. Zur Risikostreuung sind diese 20 Hektar aber natürlich zu klein. Der Stadtwald wird auf dem Großteil seiner Fläche in den nächsten 10 Jahren also „sanft-konventionell“ bewirtschaftet, wobei, wie das Forstamt betont, Komponenten der Waldpflege nach dem Lübeck Modell berücksichtigt werden.
Insgesamt sieht Stefan Kress den Stadtwald Stuttgarter von der Planungsseite her für die nächsten 10 Jahre ganz gut aufgestellt.
Hinweis: Der Stadtwald macht nur gut die Hälfte des Stuttgarter Waldes aus. Der Rest ist im Wesentlichen Landesforst, der einer eigenen Planung unterliegt.


Es gibt einen Wald-Arbeitskreis beim NABU Stuttgart. Wer Interesse hat, melde sich bitte unter stefan.kress@nabu-stuttgart.de

 

  

 

 


NABU Stuttgart nimmt Stellung zum gefährdeten Wald in Stuttgart Jan. 2023


Der Stuttgarter Wald hat eine wichtige Naturschutz-, Klimaschutz- und Erholungs-Funktion. Gefährdete Tier- und Pflanzenarten müssen konsequent geschützt werden, wobei Stuttgart eine besondere Verantwortung für die Höhlenbrüter Mittelspecht, Schwarzspecht und Halsbandschnäpper hat. Diese und viele andere Tierarten wie Fledermäuse und Käfer benötigen alte, absterbende und abgestorbene Bäume als Lebensraum. Waldrefugien leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Bindung von Kohlenstoff und als Wasserspeicher.

 

Das Alt- und Totholzkonzept des Landes muss konsequent umgesetzt werden, mit mindestens 15 Habitatbäumen pro 3 Hektar Waldfläche. Der Flächenanteil an Waldrefugien, in die forstwirtschaftlich nicht eingegriffen wird, soll mindestens 10 % betragen, wobei die einzelnen Flächen möglichst groß sein sollen.

 

Lichte Wälder sind als Lebensraum für licht- und wärmeliebende Tiere und Pflanzen von großer Bedeutung, sind jedoch, weil hier die Bäume einzeln stehen, gegen große Sommerhitze anfällig. Lichter Wald soll an besonders geeigneten Standorten auf nicht mehr als 3 % der Waldfläche entwickelt werden.

 

Der Waldboden ist mit seinem feinen Kapillarsystem der Wasserspeicher des Waldes. Befahren mit schwerem Gerät zerstört ihn für Jahrhunderte. Wenn Bäume gefällt werden, muss dies bodenschonend geschehen. Wo die Umstände es zulassen, sollen Rückepferde eingesetzt werden. Als Rückepferd bezeichnet man ein im Wald zum Holzrücken eingesetztes Pferd, das gefällte und entasteten Baumstämme zum nächsten Waldweg bringt.

 

Mountainbiker suchen auf neuen Waldwegen neue Herausforderung. Flora und Fauna kommen nicht zur Ruhe. Aufklärungsarbeit soll die Ausbreitung von Rad-Trails und Trampelpfaden verringern.

 

Die Klimakatastrophe stellt ein enormes Risiko für den Stuttgarter Wald dar. Vonseiten der Wissenschaft gibt es keine gesicherte Erkenntnis, welche Maßnahmen dessen Fortbestand langfristig sichern werden.

 

Um das Risiko zu streuen, plädiert der NABU Stuttgart für den bewirtschafteten Wald, zwei Strategien zu verfolgen. Wobei von 10 % unbewirtschafteten Waldrefugien ausgegangen wird.

 

Zwei Strategien für den Wald

 

Für den Fall, dass die Klimakatastrophe so schnell vonstattengeht, dass der natürliche Anpassungsprozess zu lange dauert, wird in 60–70 % der Waldfläche folgendermaßen eingegriffen:

  • Freistellen von Eichen, da Eichen als trockenresistenter als Rotbuchen gelten.
  • Förderung von 3–4 dem Standort angepassten einheimischer Baumarten, z.B.
          Feldahorn, Elsbeere und
    Hainbuche, von denen ausgegangen wird, dass sie den    
           Klimawandel besser als andere Arten vertragen.
  • Einführung klimastabiler Baumarten.

 

Versuchsweise können auf Kleinflächen Arten aus Süd- und Südosteuropa angepflanzt werden, die auch auf natürlichem Wege zu uns gelangen werden. Bei diesen Arten ist die Wahrscheinlichkeit, dass die heimische Tierwelt sie als Lebensraum annimmt, größer als bei Arten, die von anderen Kontinenten stammen.

 

Für den Fall, dass ein weitgehend sich selbst überlassener Wald besser mit den Verhältnissen zurechtkommt, wird nur extensiv 20–30 % der Fläche nach dem Lübecker Modell bewirtschaftet.

 

Das Lübecker Modell

 

Der Stadtwald Lübeck ist das kommunale Forstunternehmen, welches die Waldflächen der Hansestadt Lübeck verwaltet und bewirtschaftet. Die Lübecker Forsten wurden durch das Konzept der „Naturnahen Waldnutzung“ bekannt.

 

Dichter, dunkler Wald, in dem Rotbuchen dominieren, schafft sich ein kühles Klima und verhindert so die Austrocknung. Der Wald wird nicht aufgelichtet. Es wird eine flächige Entnahme von Bäumen vermieden und nur sehr alte, dicke Bäume entnommen.

 

Verfasser

 

Dr. Stefan Kress, Dipl. Biologe

stefan.kress@nabu-stuttgart.de

Mitglied Waldbeirat Stuttgart

2. Stellvertretender Vorsitzender NABU Stuttgart e.V.